Jüdische Unterstützer und Aktive im FRV – Teil 1
ur Gründung 1865 ist der Frankfurter Ruderverein eine zwar von Kaufmannsstandesdünkel geprägte, aber weltoffene Veranstaltung. Schließlich ist der Rudersport durch englische Internate in Frankfurt und Offenbach an den Main gekommen. Die erste, bis 1879 geführte Liste verzeichnet zahlreiche FRV-Mitglieder mit französischen oder englischen Namen (vgl. Beispiele am Ende dieses Beitrags). Manchmal bleiben sie nur wenige Monate im Verein, meist ist ihr Aufenthalt in Frankfurt wohl auch nicht von Dauer. Unter den beigetreten Aktiven sind auch einige jüdischer Herkunft. Dies ist damals nicht selbstverständlich, werden doch in Frankfurt erst 1864 die letzten Einschränkungen der Rechte jüdischer Bürger aufgehoben, kann von voller Integration in der Stadt noch keine Rede sein.
Die nächsten drei Blogs berichten über „Jüdische Unterstützer und Aktive im FRV“, zunächst über einige bedeutende Personen aus der Anfangszeit des Vereins. In Teil 2 folgt die weitere Geschichte ab dem ersten Weltkrieg bis zum düstersten Kapitel deutscher Geschichte. Und Teil 3 zeigt Bezüge von Anne Franks Vater Otto und Großvater Michael zum Ruderverein bis in die 1950er Jahre.
Durch die Chronik 60 Jahre FRV verbürgt ist, dass Freiherr von Rothschild dem Verein im Jahr 1869 eines der ersten Boote schenkt, den Vierer „Maas“. Der Bankier →Georg Speyer (1835 – 1902) wird bereits am 1. Dezember 1870 dauerhaftes unterstützendes Mitglied. Zehn Jahre später tritt Dr. jur. Georg Julius Friedrich „Fritz“ Friedleben (1853–1920) dem Verein bei, in der ersten Mitgliederliste als „Dr. Friedleben junior“ geführt, im April 1879 zunächst als passives, im September des Jahres dann als aktives Mitglied. Der Jurist jüdischer Herkunft wird Geheimer Justizrat und Kommunalpolitiker und ist lange Jahre Vorsitzender der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Er verschafft dem Verein in einer finanziellen Notlage Kredit, wird 1880 Vorsitzender und ordnet die Finanzen. Er sucht auch mit der seinerzeit sportlich erfolgreicheren Konkurrentin, der Frankfurter Rudergesellschaft Germania von 1869, Ausgleich statt Rivalität.
Auch der Offenbacher Lederfabrikant Eduard A. Posen trat laut Liste am 1. Juni 1878 als unterstützendes Mitglied bei, sein Sohn Theophile Posen wird später Kassierer des FRV und 1900 schließlich Ehrenmitglied.
Und →Maximilian Goldschmidt, am 20. Juni 1843 in Frankfurt geboren, ist vom 1. Juni bis zum 30. Dezember 1876 passives Mitglied des FRV. Bei der Regatta anlässlich des zwanzigsten Stiftungsfestes des FRV im Jahr 1885 gehört er dem Festkomitee an. Nach seiner Heirat 1878 mit Minna Karoline Freiin von Rothschild wird er zum reichsten Mann des Kaiserreichs und 1903 von Wilhelm II. als Freiherr von Goldschmidt-Rothschild in den Adel erhoben. Teil 2 bringt demnächst, wie es diesen und weiteren jüdischen Mitgliedern weiter erging.
Der Anteil der jüdischen Bevölkerung ist im Zuge von Zuwanderung und Eingemeindungen im Jahr 1906 auf 7 Prozent gesunken. In Frankfurt ist die jüdische Bevölkerung um die Jahrhundertwende schließlich so gut integriert wie wohl nur in wenigen deutschen Großstädten, das zeigt sich auch im Rudersport. Schüler der I. Klasse des Philantropin sind seit 1910 Teil der Schülerabteilung der Germania. („Jüdischer Sport in Frankfurt am Main vor 1938“, Wolfgang Roth, im Herbst 2007, S. 21, →Download). Ein anderes Beispiel: Die 1914 mit großer Unterstützung jüdischer Bürger, allen voran auch Georg Speyers und seiner Witwe →Franziska, geb. Gumbert (1844-1909), gegründete Universität beruft als erste in Deutschland jüdische Professoren.
Die erste FRV-Namensliste, von 1865 bis 1879 geführt, enthält unter anderem folgende aktive Mitglieder möglicherweise französischer, englischer, amerikanischer oder jüdischer Herkunft (in der Reihenfolge ihres Eintrags): C. Achard, P. Bonnet, E. und L. Sandford, H. Barley, C. Radclife, G. de Leyssac, K. Dessart, A. Brisbois, W.G. King und J. Ballin (aus London bzw. New York, Zielrichter bzw. Schiedsrichter bei der →Regatta 1872) William C. Patrick (im Wettfahrtskomitee der Regatta von 1882), A.M. Wigram, Robert Krell, J. de Neufville, W. Fourier, W.C. Kauffmann, Josef Adler, A. Howard, Fred H. K. Durlacher, A. Goldenbaum, F.A. Corning, M. Ottero, G. Grisey, Bleir Jones, Henry Jacquet, Adrian Krell, Seymour Faine, Shirley Lee, F. W. Howard, H.A. Trevanion, H.F. Clark, L.I. Lahee, Marc Lenoble, Chr. Tudford, Maurice Bassot und Dr. Friedleben. Letzterer findet sich zunächst in der Namensliste unter den Passiven, wie auch G. Speyer, M. Goldschmidt, Sigm. und Lazarus Löwenstein und weiter möglicherweise jüdische Nachnamen wie Horkheimer, Oppenheim, Flersheim, Rußmann, Strauss, Kahn. Manche der Familien waren in Frankfurt schon jahrhundertelang beheimatet, wie das Bankhaus Neufville seit 1578, andere Personen ganz offensichtlich nur vorübergehend zu Gast.
by Ulrich Meissner