Schon 1870: Ruderinnen bei der FRV-Regatta

„Offenbacher Mädchen in roten Blusen und schwarzen Röcken“

Der Frankfurter Ruderverein veranstaltet am 29. Mai 1870 die erste Regatta in Frankfurt und damit die dritte in Deutschland überhaupt. Diese Regatta findet also schon gut zwei Jahre vor der →ersten internationalen Regatta statt. Frankfurter Germania und Hanauer Ruderverein sind 1870 die Gegner. 700 geladene Gäste empfängt der FRV in einem Zelt auf dem Oberwehr, der östlichen Maininsel flussaufwärts von der Alten Brücke. Start ist bei der Gerbermühle, Wende am Eisernen Steg, Ziel die Alte Brücke. Der Kampfrichter muss reiten, da Niedrigwasser den Einsatz des Dampfboots unmöglich macht. Bei der ersten Wettfahrt, im gesteuerten Zweier, starten drei Boote der Frankfurter Werften Wirth und Leux und: ein Damenteam.

Interessant war es, daß bei dieser Fahrt drei malerisch gekleidete schöne Mädchen mit ihren männlichen Gegnern concurrirten. Leider war ihnen Fortuna nicht günstig, denn „Castellar“, Steuermann Hr. Reul, besiegte die gewandten Ruderinnen, die anfänglich im Vortheil waren und kamen sie erst zuletzt an.

So berichtet der Journalist Müller-Rentz, in der Frankfurter Zeitung, 31. Mai 1870. Meist übernehmen mehrere der lokalen Tageszeitungen mehr oder weniger wortgleich die Berichte von Müller-Rentz ohne Nennung dieser Quelle, auch der politisch weiter links angesiedelte Frankfurter Beobachter und die weiter rechts angesiedelten Frankfurter Nachrichten. Dass die Ruderartikel von ihm stammen, weiß aber FRV-Mitglied und Zeitzeuge Hugo Bardorff (geb. 8.11.1855, um 1901 städtischer Beamter) sechzig Jahre später in den Monatlichen Mitteilungen (MM) des FRV vom Mai 1930 zu berichten. Der Demokrat, Turner und vermutlich erste echte Frankfurter Zeitungsreporter →Friedrich August Müller-Rentz (2. Nov. 1830 – 3. Nov. 1903) ist zu Zeiten der Regatta berühmt für seine investigativen Methoden: 1856 berichtet er in den Frankfurter Zeitungen vertrauliche Details über einen Kulturvertrag zwischen Frankfurt und Frankreich, die er im Ofen des Sitzungsaals sitzend mitgehört hat. Einige Jahre nach dieser Regatta, am 1. Januar 1877, wird er auch unterstützendes Mitglied des FRV. Seit etwa 1900 ist sein Konterfei am Frankfurter Rathaus auf der Fassade des Hauses Limpurg in Stein verewigt.

Die Veranstaltung führte zu einem Defizit von 197 Gulden. Zeitgenosse Hugo Bardorff schildert die Regatta in den MM u.a. wie folgt. Unter dem Publikum auf dem Oberwehr mit großem Festzelt waren demnach

die ersten Gesellschaftskreise … vertreten, von den später im rudersportlichen Leben hervortretenden Herren seien die Namen Mumm, Spieß, Grunelius, Pfeffel, Metzler, Hauck genannt … die Zeitungen schrieben von über 10.000 Zuschauern … Im Neptun hatten drei Offenbacher Mädchen in roten Blusen und schwarzen Röcken mitgerudert, zuerst führend, dann aber von den Herren der Schöpfung überholt als Letzte endend. Obwohl im Ziel sehr weit zurückliegend, erhob sich auf der Schönen Aussicht ein Beifallssturm als sie das Rennen vollendeten. …

Eine der Ruderinnen von 1870, „Frau Dorothea Schuboe Wwe. in Offenbach“, ist 65 Jahre danach noch am Leben, wie die MM von Dezember 1935 wissen. Zur Zeit des historischen ersten Frankfurter Bootrennens ist sie Wirtstochter der Gaststätte „zum Nordpol“ am Main in Offenbach. Die ersten Ruderer des Vereins wählten sich die Gaststätte häufig zum Ziel ihrer Fahrten.

Auch bei späteren Regatten rudern Frauen beim FRV, etwa Fräulein Stein in Bad Nauheim 1875. 1900 haben sich laut Jahresbericht einige „Vereinsdamen … gute Fertigkeit im Rudern angeeignet“. 1913 beginnt regelmäßiger Übungsbetrieb, der allerdings mit dem Weltkrieg endet. 1931 wird ein Bootshauses geplant, aber nicht gebaut, das Ankleide- und Duschräume auch für Damen vorsieht. Seit nunmehr gut 80 Jahren hat der FRV eine Frauenabteilung. Von den Ruderinnen wird in diesem Blog also noch öfter die Rede sein.

by Ulrich Meissner