Anne Franks Großvater Mitglied um 1900, Vater im Streit mit Vorsitzendem von 1952

Jüdische Unterstützer und Aktive im FRV – Teil 3

Auch der Großvater der berühmtesten Frankfurterin gehört um 1900 zu den jüdischen Mitgliedern des FRV. Das Tagebuch der Anne Frank ist ein Weltbestseller, ihre Geschichte mit Exil und Versteck in Amsterdam sowie Tod im KZ kurz vor Kriegsende muss daher nicht erzählt werden. Dass der FRV zweifach in Beziehung zu ihrer Familie steht, ist hier relevanter. Dies auch, weil die Geschichte der Familie Frank im April 2015 Gegenstand des Lesefestes →Frankfurt liest ein Buch sein wird.

„Michael Frank, Wechselmakler“ ist in der Liste der passiven Mitglieder verzeichnet, die in den beiden Jahresberichten des FRV von 1900 und 1901 im Institut für Stadtgeschichte erhalten sind. Das ist eindeutig der Großvater väterlicherseits der Tagebuchschreiberin: Michael Frank, geboren am 9. Oktober 1851 in Landau/Pfalz, heiratet 1886 Alice Stern:

Zweifache Verbindung zur Familie der berühmtesten Frankfurterin

[Michael Frank war ein] erfolgreiche[r] Mann, der als Kaufmann genug Geld verdiente, um [seiner Frau Alice] und den Kindern, die sie sicher bald bekommen würden, ein sorgloses Leben zu bieten. Er machte sich selbständig und bot seine Dienste als Wechselmakler an. Die Gewinne legte er in anderen Branchen an, so wurde er Inhaber einer Nährmittelfabrik in Bockenheim und Mitinhaber am Generaldepot der Sodener Mineral Pastillen. Er kaufte die Zigarrenhandlung Engelhardt & Co. und war am Reisebüro im Frankfurter Hof beteiligt. Bis auf die Beteiligung an den Sodener Pastillen verkaufte er 1896/97 seine Besitztitel und gründete das Bankgeschäft Michael Frank als offene Handelsgesellschaft, eine Bank, die sich vor allem dem Handel mit Effekten, Wechseln und Devisen widmete. Die Franks waren nicht wirklich reich zu nennen, aber wohlhabend waren sie auf jeden Fall.

Mirjam Pressler und Gerti Elias, »Grüße und Küsse an alle«: Die Geschichte der Familie von Anne Frank, 2011.

Sie bekommen vier Kinder, darunter Otto, Anne Franks Vater, der ihr Tagebuch nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlicht. Großvater Michael Franks Bankgeschäft prosperiert zur Zeit seiner Mitgliedschaft im FRV. 1901 kauft er ein geräumiges Haus im Westend (in der heutigen Dantestraße nahe dem Senckenbergmuseum). Zum Haus gehören ein großer Garten, Dienstpersonal und Privatlehrer. Als Michael am 17. September 1909 plötzlich stirbt, führt Alice das Bankgeschäft weiter.

Es gibt noch einen weiteren familiären Bezug von Anne Frank zum FRV. Denn Dr. Ernst Scheinberger (5. Februar 1907 – September 1975), bereits in den 1920er Jahren Schüler­ruderer beim Verein, wird im Herbst 1952 Vorsitzender des FRV. Scheinberger war kurz zuvor endgültig als ein Erbe der Pomosin-Werke bestätigt worden. Diese Frankfurter Werke gehörten zu einem internationalen Konzern, der Apfelpektin als Geliermittel für Marmelade und andere Zwecke herstellte. Für diese Firmen war auch Anne Franks Vater →Otto Frank seit seiner Emigration 1933 in Amsterdam tätig:

1936 hatten die – nach geltender Nazidiktion – halbjüdischen inzwischen erwachsenen Scheinbergersöhne Walther, Ernst und Heinz, bis dahin stille Teilhaber des Unternehmens, einen Prozess gegen ihren Cousin Robert Feix angestrengt und ihm die Anteile am Unternehmen streitig gemacht. Die gerichtliche Auseinandersetzung hatte einen Vergleich gebracht – Anfang 1937 war Robert Feix aus dem Pomosin-Werken ausgeschieden. Im Gegenzug war ihm die von ihm selbst gegründete Opekta Köln zugesprochen worden. An Feix‘ Stelle hatten die Brüder Scheinberger den NSDAP-nahen, bisherigen Prokuristen Walter Fischer berufen. Er führte das Unternehmen, das sich „kriegswichtiger Produktionen“ rühmte, als alleiniger, persönlich haftender Gesellschafter und loyaler Strohmann der Scheinbergers durch den Krieg. Eine „Selbstarisierung“ durch die Eigentümer gestützt unter anderem vom SA-Führer und Frankfurter Polizeipräsidenten Adolf Heinrich Beckerle, einem Schulfreund Walther Scheinbergers.
[… Die Scheinbergers standen auch mit Nazigrößen wie Martin Bormann auf bestem Fuße; sie ließen Feix sogar als Juden anschwärzen. Dennoch,] Opekta-Gründer Robert Feix hatte Krieg und Konzentrationslager überlebt, nun nahm er den Rechtsstreit gegen die Cousins wieder auf. Erst im September 1952 verglich man sich, die Pomosin-Werke blieben bei den Scheinbergerbrüdern. Opekta Köln und die Schweizer Rovag gingen zurück an Feix. lnzwischen hatte Otto Frank aber schon das abgelaufene internationale Markenrecht an Opekta auf die Niederländische Opekta eintragen lassen – sehr zu Feix‘ Missfallen. […] Erst Mitte Januar 1959 wurde man sich endgültig einig; Robert Feix (1893-1973) kaufte die Anteile an der Nederlandsche Opekta Maatschappij samt Markenrecht für 100.000 Gulden.

Melissa Müller, Das Mädchen Anne Frank, S. 158f., 166, 199 und 435f.

Scheinberger bleibt FRV-Vorsitzender bis 1956, unter seiner Ägide beginnt der sportliche Wiederaufstieg des Vereins nach dem Zweiten Weltkrieg, die Jugendarbeit wird geförderrt.

Melissa Müllers Biografie ergänzt das berühmte Tagebuch der Anne Frank um zahlreiche Fakten, auch aus der Zeit davor und danach. Gut möglich, dass auch Otto Frank (12. Mai 1889 – 19. August 1980) rudert, möglicherweise um 1905 als Schüler des Lessing-Gymnasiums. Zumindest liegt dies nahe, da um diese Zeit das Schülerruderen vom FRV besonders aktiv betrieben wird und das Lessing-Gymnasium zu den vom Verein betreuten Schulen gehört. Annes ältere Schwester Margot Frank (16. Februar 1926 in Frankfurt – Anfang März 1945 im KZ Bergen-Belsen) jedenfalls ist im holländischen Exil Mitglied eines Rudervereins, mit dem sie im September 1940 auch ein Rennen gewinnt (→ihre Medaille). Als Jüdin wird ihr der Sport von den in Holland eingefallenen Deutschen allerdings bald verboten. Anne selbst konnte aus gesundheitlichen Gründen diesen Sport nicht ausüben, sie musste ihre Armgelenke schonen, so Melissa Müller.

Dieser Blog wird noch weitere Facetten der düsteren zwölf Jahre unter dem Hakenkreuz beleuchten müssen.

by Ulrich Meissner