Per Anhalter mit dem Floß

Holz­trans­port bis nach Rot­terdam

Als wir vor die Ober­räder Schleuse kamen, erlebten wir doch eine große Freude. Die Flöße, die wir vor Wert­heim ver­lassen hatten, harrten der Durch­fahrt. Freudig wurden wir von den braven Flö­ßern begrüßt. Schnell war das Boot auf das erste Floß her­auf­ge­zogen und im Zischen und Brausen des Floß­ka­nals ging es durch die Schleuse.
(Monat­liche Mit­tei­lungen des FRV, Sep­tember 1924, „Meis­ter­schafts­nummer“)

Wan­der­fahrt nach Lohr im August 1927

So berichtet ein Ver­eins­mit­glied von einer Wan­der­fahrt im Sommer 1924 auf dem Main. Die Flöße gehörten damals zum Fluss­bild wie heute die großen Fracht­schiffe und sie hatten eine ähn­liche Größe. Anders als diese konnten sie ohne wei­teres ein Ruder­boot per Anhalter mit­nehmen. Das war für die Ruderer nicht nur bequem, son­dern auch aus einem anderen Grund attraktiv. Denn die schwer arbei­tenden Flößer, die ihre Fracht ständig mit Staken in die rich­tige Rich­tung bringen mussten, hatten ein groß­zü­giges Bier­de­putat von fünf Litern pro Tag – oder gar sieben, wie ein Hei­mat­his­to­riker berichtet (im →Haß­furter Tage­blatt). Und Ruderer sind immer durstig, wie auch unser zweites Floß­bild aus den Zwan­ziger Jahren zeigt.

„Ergän­zungs­sport“, so die Bild­un­ter­schrift auf dem Titel der FRV-Zeit­schrift Monat­liche Mit­tei­lungen im April 1928

Nach unter­schied­li­chen Quellen waren die Flöße bis zu 200 oder gar 250 Meter lang mit drei Lagen Baum­stämme über­ein­ander. Die typi­sche Größe dürfte aber auf die Schleusen aus­ge­richtet gewesen sein und daher zunächst etwa 160 Meter Länge und knapp 10 Meter Breite betragen haben. Als es weder Bahn­trans­porte noch Last­wagen gab, waren Bäche und Flüsse ein­fach der güns­tigste und ein­fachste Weg, um Holz zum Ver­brau­cher zu bringen.

Vom Fran­ken­wald über den Main und vom Schwarz­wald über den Rhein schwammen die Holz­flöße bis ins Ruhr­ge­biet und nach Hol­land zum Hafen von Rot­terdam. Zur Main-Flö­ßerei sind Vor­schriften und Zölle der Bis­tümer Bam­berg und Würz­burg bereits aus dem Jahr 1007 über­lie­fert. Die alten Stau­stufen, die als Nadel­wehre gebaut waren, hatten immer soge­nannte Floß­rut­schen, ‑rinnen oder ‑kanäle. Ab den Neu­zehn­hun­dert­zwan­ziger Jahren wurden die Flöße kürzer, waren „nur“ noch 120 Meter lang und fuhren ver­mut­lich oft zu zweit hin­ter­ein­ander in die Schleusen. Die modernen Schleusen ver­lang­samten die Strö­mung im Unter­lauf des Mains und machten es nötig, dass die Flöße dort von je zwei Schlep­pern manö­vriert wurden.

In Frank­furt lan­deten die Flöße ursprüng­lich öst­lich, wo das Bau­holz für die Stadt gela­gert wurde, seit der Main­ka­na­li­sie­rung und dem Bau des West­ha­fens 1886 dann aber im neuen West­hafen. Eine schöne Bild­re­por­tage von dem Schweizer Foto­grafen A. Bol­linger (→pdf zum Down­load) zeigt, wie die Main­flöße im Jahr 1938 unter­wegs waren. Und der sehr emp­feh­lens­werte Doku­men­tar­film →“Unten am Fluss“ des Hes­si­schen Rund­funks zeigt ab Minute 10 etwa zwei­ein­halb Minuten his­to­ri­sche Bilder und sogar Film­ma­te­rial zu den Main­flößen. Auch hier sind offenbar Ruderer zu Gast auf dem Floß, den Tri­kots nach mög­li­cher­weise von der Frank­furter Ger­mania. In den Vier­ziger Jahren wurde die Flö­ßerei end­gültig ein­ge­stellt. Nur als Tou­ris­ten­at­trak­tion wird sie noch fort­ge­führt, zum Bei­spiel in →Coburg.

Bild­quelle: Titel der FRV-Zeit­schrift 1927/28, FRV-Archiv

by Ulrich Meissner