Düs­tere Jahre ab 1933 auch im Sport

Jüdi­sche Unter­stützer und Aktive im FRV – Teil 2

Nach Hit­lers Macht­über­nahme im Januar und der Frank­furter Kom­mu­nal­wahl am 12. März 1933, bei der die NSDAP 47,9 Pro­zent der abge­ge­benen Stimmen erhält, tritt der Frank­furter Ober­bür­ger­meister jüdi­scher Her­kunft →Ludwig Land­mann zurück. Sein Nach­folger als OB wird NSDAP-Mit­glied Fried­rich Krebs. Dieser ent­lässt fristlos alle Beamten und Kom­mu­nal­an­ge­stellten, die Mit­glied in den Arbei­ter­par­teien sind, und bereits am 28. März 1933 alle 81 Mit­ar­beiter jüdi­schen Glau­bens, Anhänger der NSDAP erhalten diese Posi­tionen. Das ent­spre­chende „Gesetz zur Wie­der­her­stel­lung des Berufs­be­am­ten­tums“ wird erst nach­träg­lich am 7. April 1933 vom ver­stüm­melten Reichstag ver­ab­schiedet und rasch auch im Ruder­sport ange­wendet.

Auch der Deut­sche Ruder-Ver­band beschließt schon am 6. Mai 1933 in Potsdam: „Die Ver­eine des deut­schen Ruder­ver­bandes nehmen künftig nur Mit­glieder ari­scher Abstam­mung auf. Für die vor­han­denen jüdi­schen Mit­glieder gelten die Bestim­mungen des Gesetzes über die Wie­der­her­stel­lung des Berufs­be­am­ten­tums“ (Monat­liche Mit­tei­lungen des FRV, Mai 1933). Beamte, die auch nur einen „jüdi­schen“ Groß­el­tern­teil hatten, können nach diesem Gesetz ent­lassen oder vor­zeitig in den Ruhe­stand ver­setzt werden, es sei denn – so heißt es zunächst noch – sie sind schon vor August 1914 ver­be­amtet worden, oder haben im Welt­krieg an der Front für das Deut­sche Reich oder für seine Ver­bün­deten gekämpft oder ihr Vater oder Sohn ist im Welt­krieg gefallen.

Die Gleich­schal­tung auch des Sports stand von Anfang an unter sol­chen anti­jü­di­schen Vor­zei­chen und der Ruder­sport und der FRV haben sich dem nicht ent­zogen. Die Ari­sie­rung der Ver­eine geschieht im Ruder­ver­band sogar aus Eigen­in­itia­tive, ohne expli­zite staat­liche Anwei­sung, denn mit bru­taler Wucht werden die Nazis ihr „Rasse“-Politik im Sport erst nach Olympia 1936 in Berlin durch­setzen.

Jeg­liche sport­liche Betä­ti­gung wurde für von den Nazis als solche defi­nierte „Juden“ zunächst Schritt für Schritt ein­ge­schränkt, nach der Pogrom­nacht vom 9. November 1938 schließ­lich voll­ständig ver­boten. Dass die vom DRV Aus­ge­schlos­senen nach 1933 in Frank­furt noch rudern können, ist zu bezwei­feln, da dies prak­tisch nur im Verein mög­lich wäre und von einem jüdi­schen Ruder­verein in Frank­furt nichts über­lie­fert ist. Für den Schwimm­sport jeden­falls gilt: Die jüdi­schen Bür­ge­rinnen und Bürger Frank­furts dürfen ab April 1936 nur noch im Strand- und Fami­li­enbad Nie­derrad baden, dem heu­tigen Licht- und Luftbad, im November 1938 wird ihnen auch das ver­boten (siehe neben­ste­hende Gedenk­tafel).

Auch der noch nicht erwähnte Ban­kier Hein­rich Lis­mann, Aktiver ab 1897, Vor­sit­zender von 1906 bis 1909 und seither Ehren­vor­sit­zender des FRV war Jude. Er tritt bereits im März 1933 „frei­willig“ als Vor­sit­zender des Frank­furter Regat­ta­ver­eins zurück, der er bereits seit 15 Jahren ist, so die MM vom April 1933, die ihn für seine Arbeit noch aus­drück­lich sehr loben. In der Auf­lis­tung der am 26. November 1933 neu gewählten FRV-Ver­eins­lei­tung wird er dann anders als zuvor aller­dings nicht mehr als Ehren­vor­sit­zender genannt, das war wohl nicht mehr opportun. Hein­rich Lis­mann (geb. 21.9.1870 in Frank­furt, gestorben 1950 in Rich­mond USA) war mit seinem Bruder Rudolf (eben­falls im FRV) Inhaber des Bank­hauses Gebrüder Lis­mann, das seinen Geschäfts­sitz in der Goe­the­straße 4–6 hatte.

Hein­rich Lis­mann war u.a. Orga­ni­sator der Kriegs­ge­fan­gen­für­sorge des Deut­schen Roten Kreuzes, der Erwerbs­lo­sen­hilfe 1922 und der Jugend­wohl­fahrts­lot­terie. Er war haupt­ver­ant­wort­lich für die Ein­füh­rung des Mut­ter­tages in Deutsch­land. In den zwan­ziger Jahren initi­ierte er auch die Brü­cken­bau­lot­terie zum Wie­der­aufbau der Alten Brücke in Frank­furt. Er konnte sich durch Flucht in die USA vor der Juden­ver­fol­gung retten. Nach dem Krieg wurde das Bank­haus in der Grill­par­zer­straße 16 wieder eröffnet (→Kurz­bio­grafie des Insti­tuts für Stadt­ge­schichte).

Statt Lis­mann wird Her­mann Wil­helm Lumme, ein Direktor der Metall­ge­sell­schaft, neuer „Führer“ des Regat­ta­ver­eins. Auch das zweite FRV-Vor­stands­mit­glied im Regat­ta­verein Lorenz Eis­mayer, der früher in Mainz geru­dert hat und jetzt in Frank­furt eine Fahr­schule betreibt, tritt – ver­mut­lich wegen der „Macht­er­grei­fung“ der Nazis – zurück, Ernst Karoß (*19.11.1886) rückt ihm nach.

Ein wei­teres pro­mi­nentes Bei­spiel für den schänd­liche Behand­lung jüdi­scher FRV-Mit­glieder ist Pro­fessor Dr. Bern­hard Salomon. Im Mai 1928 tritt er dem FRV als unter­stüt­zendes Mit­glied bei (Monat­liche Mit­tei­lungen). Bern­hard Salomon lehrt als Pro­fessor an der Tech­ni­schen Hoch­schule Aachen und ist ab 1897 Gene­ral­di­rektor bei der Elek­tri­zi­täts AG vor­mals W. Lah­meyer & Co. Er wohnt in einer Dienst­villa in der West­end­straße 25, die er 1940 ver­lassen muss. Bern­hard Salomon wurde noch 1941 in einem Schreiben der Schieds­stelle beim Reichs­ver­wal­tungs­ge­richt als „eine der her­vor­ra­gendsten Per­sön­lich­keiten des deut­schen Wirt­schafts­le­bens“ bezeichnet. Seine Frau Meta Luise, geb. Eichen­grün, geboren am 6. Oktober 1869, wird am 8. Juni 1942 von der Gestapo ver­hört und in das Kon­zen­tra­ti­ons­lager Ravens­brück depor­tiert. Bern­hard Salomon stirbt am 26. Juli 1942 in Frank­furt, seine Frau am 17. Sep­tember 1942 im KZ. Auch ihr gemein­samer Sohn wird in das KZ The­re­si­en­stadt depor­tiert, über­lebt aber (Quelle: Stol­per­steine in Frank­furt: →Meta Salomon).

Die mas­sen­hafte Depor­ta­tion der Juden aus Frank­furt in die Ghettos und Ver­nich­tungs­lager im Osten beginnt am 19. Oktober 1941 mit einer unan­ge­kün­digten Aktion. Die Betrof­fenen werden aus ihren Woh­nungen geholt, ihres ganzen Besitzes beraubt, in den Keller der Groß­markt­halle getrieben, dort kon­trol­liert und schi­ka­niert und schließ­lich mit der Bahn abtrans­por­tiert. Bei den wei­teren fünf Depor­ta­tionen bis zum Früh­jahr 1942 muss dann die Jüdi­sche Gemeinde orga­ni­sa­to­risch unter­stützen. Nur 145 jüdi­sche Mit­bürger über­leben von Frank­fur­tern ver­steckt die Nazi­zeit. Von den 10.600 aus der Stadt in Kon­zen­tra­ti­ons­lager ver­schleppten Juden über­leben nur wei­tere 400. Ledig­lich ein Frank­furter Gestapo-Beamter wird nach dem Krieg wegen der Betei­li­gung an den Depor­ta­tionen ver­ur­teilt.

Teil 3 der Reihe über jüdi­sche FRV-Mit­glieder, zur Familie Anne Franks, folgt und reicht bis in die Nach­kriegs­jahre.

by Ulrich Meissner